Erasmus+ Enriching lives, opening minds.

Erste Ideen und Studien zu „Green Erasmus+“

Neben den neuen horizontalen Prioritäten für das Erasmus+ Programm, wie Inklusion und Digitalisierung, stellt die Europäische Kommission derzeit auch Überlegungen dazu an, wie die neue Programmgeneration zukünftig „grüner“ gestaltet werden kann.

Mit dem Ziel, Erasmus+ in den European Green Deal zu integrieren, soll das Potenzial für den ökologischen Wandel durch den Inhalt und Geltungsbereich des Programms erschlossen und seine Umweltauswirkungen verringert werden.

Zur Diskussion stehen momentan u.a. die folgenden Maßnahmen:

  • Entwicklung eines Instruments zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks;
  • Sektor- und aktionsübergreifende Nutzung des Programms zur Sensibilisierung der Teilnehmer zu Umwelt- und Klimafragen;
  • Ausbildung der Teilnehmer als Botschafter für nachhaltige Entwicklung (Geförderte können z.B. mit lokalen Organisationen im Gastland in Kontakt gebracht werden, die sich für den Umweltschutz einsetzen);
  • Verstärkte Förderung von Projekten, die Umweltthemen adressieren und/oder deren Arbeitsweise die Umweltbelastung bewusst reduzieren sollen;
  • Angebot für Beratung und Schulungen sowie Unterstützung zum Austausch von "best practices";
  • Einbeziehung aller Akteure (Studierende, Nationale Agenturen und Universitäten) bei der Anwendung umweltfreundlicherer Vorgehensweisen, auch im Alltag;
  • Angebot für Geförderte, anfallende Zusatzkosten durch den Gebrauch von umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln zu kompensieren, ohne neue Barrieren durch feste Reisevorschriften für die Teilnehmer aufzubauen.

Ein Grundsatz kristallisiert sich in der Diskussion als unumstößlich heraus: Alle Maßnahmen für ein „grüneres“ Erasmus+ Programm sollen weder die physische Mobilität in Frage stellen noch Studierende von einer Partizipation ausschließen.

Dieser Grundsatz findet sich auch in dem vom Bildungsausschuss des Europäischen Parlaments veröffentlichten „Berichtsentwurf über wirksame Maßnahmen zur umweltgerechteren Gestaltung von Erasmus+, des Programms „Kreatives Europa“ und des Europäischen Solidaritätskorps“ wieder.
Nach Ansicht der Berichterstatterin, der französischen Europaabgeordneten Laurence Fareng (Renew Europe), muss der Grundsatz der physischen Mobilität im Erasmus+ Programm unantastbar bleiben. Virtuelle Austauschformate dürfen nur Ergänzung, kein Ersatz sein. Das Potenzial der virtuellen Mobilität sei allerdings, insbesondere unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen sowie zur Einbeziehung von beeinträchtigten Zielgruppen, stärker zu berücksichtigen.

Der Bericht rät dazu, folgende Handlungsempfehlungen mit Beginn des nächsten Programmplanungszeitraums umzusetzen:

  • Beginn der Datenerhebung zum ökologischen Fußabdruck der individuellen Mobilitäten durch das Mobility Tool
  • Berücksichtigung von Umweltaspekten bei der Projektbewertung durch die Nationalen Agenturen (Integration des Umweltschutzes in jede nationale Prioritätenliste)
  • Umlenkung der Programmteilnehmer auf umweltfreundlichere Verkehrsträger durch neue Anreize sowie Anpassung der geltenden Finanzvorschriften
  • (z.B. grundsätzliche und vollständige Kompensation von zusätzlichen Kosten und Fahrzeiten – nicht nur in Ausnahmefällen)
  • Erfassung, Koordination und Bewertung von bewährten Verfahren, beginnend mit der Veröffentlichung eines Verzeichnisses von Empfehlungen durch die Kommission
  • (auch Schulungen der Nationalen Agenturen werden angedacht)
  • Integration des Umweltschutzes als Grundsatz in die Erasmus+ Charta für Hochschulbildung (ECHE) sowie in die Programm-Indikatoren
  • Partnerschaften mit europäischen Eisenbahn- und Busunternehmen für Vorzugstarife; insbesondere im Rahmen des geplanten Europäischen Jahres der Eisenbahn 2021

Laut Bericht biete die Initiative der Europäischen Hochschulen zudem die Chance, Lehre und Lernen zu Umweltthemen zu fördern, um europäische Fachkräfte von morgen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung auszubilden. Mit dem Europäischen Studierendenausweis wird ein großes Potenzial zur nachhaltigeren Lebensweise gesehen, beispielsweise durch Rabatte für den öffentlichen Nahverkehr über den Ausweis.

In Vorbereitung auf den Initiativbericht des Europäischen Parlaments hat der Bildungsausschuss zudem zwei begleitende Publikationen in Auftrag gegeben:

  • Es mangele bislang noch an einer Basis für Kontrolldaten und Mechanismen zur Erfassung und Steuerung des Beitrags der EU-Programme an den Umweltzielen. Die Ziele wurden überhaupt erst im Arbeitsprogramm 2020 genannt.
  • Es gebe bereits eine bedeutende und zunehmende Anzahl an Projekten, die sich mit Umwelt- und Klimafragen auseinandersetzen. 14,2% des gesamten Budgets der drei EU-Programme unterstützten Projekte dieser Art von 2014-2019.
  • Noch existieren keine koordinierten Instrumente oder Aktivitäten, die auf dem bisherigen Flickenteppich von „good practises“ durch NAs und Programmteilnehmern aufbauen und diese weiter anregen und entwickeln können.
  • Es böten sich verschiedene Optionen zur Anregung umweltfreundlicheren Reisens (finanzieller und nicht-finanzieller Art) an: bessere Einbeziehung virtueller Formate in die Lehre und Kooperation; Kompensation für Mobilitäten sowie Lobby-Arbeit zur Etablierung einer gut zugänglichen, öffentlichen Transportinfrastruktur.
  • Es herrsche dringender Bedarf an Indikatoren und Instrumenten zur Messung der Umweltauswirkungen durch die Programmaktivitäten.

  • Es gebe eine Fülle an Belegen dafür, dass physische Mobilität mehr Vorteile mit sich bringt als virtuelle Formate es vermögen – darunter die Entwicklung persönlicher und professioneller Fertigkeiten und Kompetenzen sowie der Idee europäischer Bürgerschaft, eine verbesserte Fähigkeit, sich an eine neue und sich ändernde Umgebung anzupassen, sowie eine Verbesserung der Arbeitsmarktchancen.
  • Während es unumstritten sei, dass durch virtuelle Formate Reisekosten, Emissionen und zeitlicher Aufwand eingespart werden können, haben im Gegenzug auch digitale Formate einen erheblichen CO2-Fußabdruck.
  • Es existierten noch keine klaren Vergleichswerte zwischen virtuellen Formaten und physischer Mobilität hinsichtlich der Lernprozesse und -ergebnisse.
  • Die bestehende Kenntnislage bestätige, dass virtuelle Formate eine effektive Möglichkeit bieten können, Herausforderungen in Bezug auf Kulturbewusstsein, interkultureller Zusammenarbeit und transversalen Kompetenzen zu bestreiten. Sie ersetzen allerdings keine Mobilitäten, bei denen die Kernidee das Eintauchen in eine neue Kultur ist. Sobald die Kernidee eine andere ist, wie beispielsweise bei kurzfristigen Mobilitäten, können virtuelle Formate berücksichtigt werden.
  • Ein erheblicher Umschwung auf virtuelle Formate würde auch eine Reihe neuer Herausforderungen mit sich bringen bezüglich der Entwicklung von Plattformen und Systemen sowie der technischen Unterstützung für ihren Gebrauch.
  • Es herrsche allgemeiner Konsens unter Wissenschaftlern, dass die verschiedenen Formen der Lernmobilität untereinander nicht austauschbar seien. Während das Angebot für Studierende, ihre internationalen Kompetenzen und Skills zu entwickeln, dasselbe ist, kreiere doch jede Form ihren eigenen Mehrwert.

Der Berichtsentwurf und die begleitenden Publikationen liegen nun dem CULT-Ausschuss zur Diskussion und Abstimmung vor. Erst in einem nächsten Schritt kann der Bericht im Plenum des Europäischen Parlaments verabschiedet werden.

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