Ausflug der LEI ERASMUS Münster e.V. ins Grenzlandmuseum Eichsfeld
26.10.2019 / An diesem Samstagmorgen im Herbst 2019 versammelten sich in aller Frühe 46 müde Erasmusstudierende und drei Teamer des Erasmusvereins am Busbahnhof von Münster.
Anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls hatten wir einen Tagesausflug nach Thüringen organisiert, ins ehemalige deutsch-deutsche Grenzgebiet im Eichsfeld. Dort gibt es gleich zwei Grenzmuseen in unmittelbarer Nähe. Unser Ziel war das Dorf Teistungen mit seinem „Grenzlandmuseum Eichsfeld“, wo uns das Museumspersonal bereits erwartete. Uns wurden sowohl eine Führung auf Deutsch als auch auf Englisch angeboten.
Leben im Grenzland der DDR zur BRD
Die deutschsprachige Gruppe wurde von einer Dame geführt, die in Teistungen geboren war und ihr gesamtes Leben dort verbracht hatte. Sie begann die Tour direkt am Startpunkt der sehr modernen Dauerausstellung – einer großen dreidimensionalen Deutschlandkarte, in der die Region Eichsfeld mitten im Herzen des Landes farbig markiert war. So konnten die internationalen Studierenden, den Verlauf der ehemaligen Grenze und die Lage der DDR geographisch einordnen. Die Führerin der deutschsprachigen Gruppe legte ihren Fokus auf die spezielle Rolle des Eichsfelds innerhalb der DDR. Sie erläuterte anschaulich, wie stark die Bewohner dieser traditionell katholischen, landwirtschaftlichen Region in ihrem Alltag eingeschränkt waren: sowohl durch die staatliche Repressionen wie Zwangsenteignung der Bauern und Einschränkung der Religionsfreiheit als auch durch die physische Grenze, die enorme bürokratische Hürden für die Eichsfelder bedeutete.
Der Grenzstreifen als einzigartiges Biotop
Prof. Dr. Hans Köpp führte die englische Gruppe durch das Museum. Er war lange Zeit an der FH Göttingen Dozent für Naturschutz, Landschaftspflege und Forstgeschichte. Deshalb konzentrierte er sich zu Beginn seiner Tour auf die Bedeutung des Grenzstreifens als einzigartiges Biotop. Er berichtete, wie er bereits in den 80er Jahren damit begann, die veränderte Umwelt entlang der Grenze von der Westseite aus wissenschaftlich zu dokumentieren und erforschen.
Die Anekdote, wie Herr Köpp von der Öffnung der Berliner Mauer erfuhr und es für einen Irrtum seiner politisch uninteressierten Frau hielt, brachte uns alle zum Schmunzeln.
Nach dem Mauerfall erhielt Prof. Köpp die Genehmigung den Grenzstreifen von der Ostseite aus zu erforschen und etablierte in den 90er Jahren zusammen mit Heinz Sielmann und dessen Stiftung das Naturschutzgebiet „Grünes Band“ im Eichsfeld, das aus dem ehemaligen Todesstreifen eine „Lebenslinie“ macht.
Anhand eines sehr detailgetreuen Modells der Grenzanlage erläuterte unser Guide, wie die Grenze genau aufgebaut war. Daraufhin konnten wir alle nachvollziehen, wie unüberwindbar und unmenschlich diese Grenze war.
Fragerunde
Viele Austauschstudierende stellten anschließend ihre Fragen, wie zum Beispiel nach der Zahl der getöteten Republikflüchtlinge. Die Zahl von 790 Opfern schockierte alle. Außerdem interessierte die Studierenden, auf welchen Wegen manche Flucht gelungen sei. Daraufhin erzählte Herr Köpp spektakuläre Geschichten von selbstgebauten Heißluftballons, heimlich gegrabenen Tunneln, Schlauchbooten auf der Ostsee und umgebauten Kofferräumen. Allerdings glückten die meisten Republikfluchten vor der Schließung der Grenze am 13. August 1961 und nach der Öffnung der grünen Grenze zwischen Ungarn und Österreich im Sommer 1989.
Ein anderer Teilnehmer wollte wissen, wer die Grenze bewachte und ob diese Grenzposten Freiwillige waren oder ob es in der DDR einen verpflichtenden Militärdienst gab. Wie vermutet war der Militärdienst für junge Männer Pflicht. Die Grenzsoldaten waren meist nicht älter als 20 Jahre und wurden stets in weit entfernte Regionen versetzt, um nicht in Versuchung zu geraten, ihre Ortskenntnisse zur Flucht oder Fluchthilfe zu nutzen. Eine Studierende fragte, wie sich das Leben nach der Wiedervereinigung für die Menschen im Osten Deutschlands entwickelt habe. Diese Frage war besonders aktuell, da einen Tag nach unserem Besuch im Eichsfeld Landtagswahlen in Thüringen stattgefunden hatten und einigen Mitreisenden die vielen AfD-Plakate aufgefallen waren.
Dokumentation der Zeitgeschichte
Im Anschluss an die Führungen schauten wir uns noch den restlichen Teil der didaktisch sehr gut aufbereiteten und ansprechenden Ausstellung an. Alle Erläuterungen waren auf Deutsch und auf Englisch. Das Leben in der DDR und vor allem im Eichsfeld wurde mit originalen Exponaten, Modellen, Fotos sowie Audio- und Videostationen vor Augen geführt. Besonders beeindruckte ein Stück Grenzzaun mit Selbstschussapparat und die verschiedenen Landminen, die im Hauptraum der Ausstellung zu sehen waren. Leider war draußen bis auf die Wachtürme nichts mehr von der alten Grenzanlage in ihrer tatsächlichen Größe und Breite erhalten. Die tatsächlichen Dimensionen ließen sich anhand des bereits erwähnten Modells lediglich erahnen.
Alles in allem war es ein sehr gelungener und interessanter Ausflug, nach dem alle Studierenden ein besseres Verständnis vom Ausmaß der staatlichen Kontrolle in der DDR hatten. Zum Abschluss machten wir ein Gruppenfoto vor dem Museum.