Mein ERASMUS+ Auslandssemester auf der Grünen Insel: Studieren mit Sehbehinderung in Irland
Jacqueline Sonders berichtet über Ihren Erasmus+ Aufenthalt in Irland. Ihre Erfahrungen im Auslandssemester und welche Rolle ihre Sehbehinderung dabei gespielt hat, können Sie hier lesen.
Zu Beginn meines Bachelorstudiums gab es an meiner Hochschule eine Infoveranstaltung zum Thema „Im Ausland studieren“. Seit ich diese besucht habe wusste ich, dass ich gerne Erfahrungen im Ausland sammeln möchte, da ich generell gerne Englisch spreche und neue Kulturen und neue Leute kennenlerne. Ich habe mir immer wieder die Partnerhochschulen meiner Hochschule in Deutschland angeschaut und überlegt, wie es wohl wäre, wenn ich dort studieren würde. Im Sommer 2023 war es dann soweit; ich habe mich über ERASMUS+ für das Auslandssemester beworben. Meine 1. Wahl war das University College in Cork, Irland und an dieser wurde ich auch angenommen. Da ich eine Sehbehinderung habe, war mein Auslandssemester in manchen Punkten eventuell mit anderen Hürden beziehungsweise Barrieren verbunden als für andere Studierende. Jedoch würde ich die Zeit in Irland nicht missen wollen, da ich tolle Freunde gefunden habe und in den Veranstaltungen in der Uni viel lernen konnte.
Vorbereitung
Durch das International Office an meiner Hochschule habe ich während der Vorbereitung auf das Auslandssemester viel Unterstützung erhalten. Dort konnte ich alle Fragen stellen, die ich hatte und ich wurde auch beim Bewerbungsprozess und beim Ausfüllen von Anträgen unterstützt. Außerdem habe ich viel im Internet (Social Media, Internetauftritte der Universitäten) recherchiert, um zu schauen, welche Universität zu mir passen könnte.
Das Studium in Irland mit Sehbehinderung
In Deutschland studiere ich Soziale Arbeit im Bachelor. In Irland gab es den Studiengang Soziale Arbeit derzeit nur als Master, daher habe ich dort Veranstaltungen aus dem Bachelor-Studiengang Social Science belegt. In Cork gibt es einen Haupt-Campus an dem beispielsweise die Bibliothek, Mensen und das Student Center sind. Jedoch gibt es auch, wie in Deutschland häufig, Uni-Gebäude, die in der gesamten Stadt verteilt sind. Außerdem gibt es noch einen kleineren Campus. Dort waren vor allem naturwissenschaftliche Veranstaltungen sowie Veranstaltungen der Psychologie angesiedelt. Ich habe Veranstaltungen am großen und am kleineren Campus Veranstaltungen besucht. Am University College Cork (UCC) waren viele Räume nicht sehr barrierefrei für mich, da ich eigentlich ein Lesegerät benötige, um PowerPoint Präsentationen verfolgen zu können. In manchen Räumen gab es jedoch keine beziehungsweise kaum Steckdosen, die ich für das Lesegerät nutzen konnte. Zudem gab es in vielen Räumen keine richtigen Tische, sondern Stühle, an denen ein kleines Holzbrett dran war, welches man als Ablage für den Laptop etc. nutzen konnte. Dadurch war es mir in machen Veranstaltungen nicht wirklich möglich, mit dem Lesegerät zu arbeiten, da das Lesegerät nicht auf das Brett passte.
Am UCC gibt es den Disability Support Service (DSS) an den man sich wenden kann, wenn man Nachteilsausgleiche oder andere Hilfen beantragen möchte. Bei diesem habe ich mich schon im November 2023 angemeldet und alle nötigen Unterlagen eingereicht. In der 1. Woche war ich durch die Situation mit den fehlenden Tischen sehr verunsichert und wusste nicht, ob ich so überhaupt richtig studieren kann. Daraufhin habe ich den DSS direkt kontaktiert und meine Situation und meine Bedarfe geschildert und mir wurde gesagt, dass man schauen wird, was man in dieser Situation tun kann. Jedoch habe ich daraufhin keine Rückmeldungen mehr erhalten und auch erneute Kontaktaufnahmen mit dem DSS haben das Thema nicht weiter vorangebracht. Daher habe ich versucht so gut wie möglich mit der Situation zurechtzukommen. Ich habe mich nach ganz vorne gesetzt, um etwas lesen zu können und habe die Dozent*innen über die Situation informiert und mich gemeldet, wenn ich etwas nicht lesen konnte. Die Dozent*innen waren in diesen Fällen sehr aufmerksam und haben darauf geachtet, dass ich die Veranstaltungen verfolgen kann.
Nachteilsausgleich
Da ich eine Sehbehinderung habe konnte ich in Irland einen Nachteilsausgleich beantragen. In Deutschland bekomme ich durch diesen 30% mehr Zeit in den Klausuren. In Irland werden Nachteilsausgleiche anders geregelt als in Deutschland. In Irland bekommen alle Studierenden mit einer Behinderung in Klausuren 10 min extra Zeit pro Stunde. Zudem konnte ich beantragen die Klausur am Computer zu schreiben, da es mir einfacher fällt Texte am PC zu schreiben. Außerdem wurde mir für die Klausur ein Lesegerät von der Universität gestellt und ich habe die Klausur auch als PDF-Datei am PC abrufen können. Die Studierenden, die an einem Computer schreiben mussten, haben in einem separaten Raum geschrieben. Bei den Hausarbeiten konnte man zwar bei den Dozent*innen nach einer Verlängerung der Zeit für die Abgabe bitten, jedoch habe ich davon keinen Gebrauch gemacht, da ich die Hausarbeiten rechtzeitig fertig hatte.
Das Studierendenleben in Cork
In Cork gibt es an der Uni einige Angebote, die man nach den regulären Uni Veranstaltungen wahrnehmen kann. Eine Sache, die mir sehr gut gefallen hat, war das System der „Clubs and Societies“ am UCC. Dabei handelt es sich um Sport Clubs von der Uni bei denen man am Training und an Wettbewerben teilnehmen kann. Es gibt auch ein eigenes riesiges Fitnessstudio, in dem alle Studierenden vom UCC kostenlos trainieren konnten. Dadurch habe ich neue Sportarten kennenlernen können wie beispielsweise das Trampolinturnen, welches ich auch in Deutschland weiter trainieren möchte. Es gab sehr viele verschiedene Societies zu verschiedenen Themen wie z.B. globale Gerechtigkeit, Stricken und Häkeln, Umweltschutz, Popkultur, Harry Potter, Theater und viele mehr. Insgesamt gibt es über 100 verschiedene Societies. Einige befassen sich auch mit einzelnen Studiengängen wie z.B. Jura, Medizin, Architektur usw. Ich bin in jeder Woche zu mindestens einer Veranstaltung von den Societies gegangen, da es eine tolle Abwechslung zum normalen Uni Alltag bietet und die Themen super interessant waren. Meine Lieblingsveranstaltungen waren die Häkel-Abende an denen man in der Society beispielsweise ein Gespenst, ein Granny-Square oder ein Lesezeichen gehäkelt hat und diese anschließend behalten konnte, und der Abba Abend an dem der Film Mamma Mia! in einem Hörsaal gezeigt wurde. Außerdem gab es mehrmals im Semester Themenwochen zu denen extra Veranstaltungen angeboten wurden. Es gibt am großen Uni Campus zudem einen eigenen Starbucks und eine Kneipe in der man nach den Vorlesungen mit seinen Kommiliton*innen Zeit verbringen kann.
Reisen in Irland
privat/ DAAD
Durch mein Auslandssemester konnte ich Irland bereisen und mich in dieses Land verlieben. Es gibt dort so viele tolle Orte und vor allem die Klippen sind superschön. Ich hätte stundenlang dastehen können und auf das offene Meer mit den Klippen schauen können. Einer meiner Lieblingsausflüge war der Tagesausflug nach Dingle. Eine Freundin und ich sind dort mit einem Reisebus hingefahren und während der Fahrt wurde oft an superschönen Orten angehalten. Beispielsweise waren wir kurz am Inch Beach, an dem Westlichsten Punkt von Irland und an sehr, sehr vielen Klippen.
Fazit
Abschließend kann ich sagen, dass die Zeit in Irland bisher eine der spannendsten und schönsten Zeiten in meinem Leben war. Ich habe viele tolle Orte entdecken können und viele neue Freund*innen gefunden. Auch aus den Veranstaltungen in der Universität konnte ich viel lernen. Ich bin sehr dankbar, dass ich durch die NA DAAD die Möglichkeit hatte, so viele schöne Erinnerungen zu schaffen. Ich möchte auf jeden Fall irgendwann zurück nach Irland und kann allen, die darüber nachdenken ein Auslandssemester zu machen nur empfehlen es zu tun. Selbst, wenn man wie ich eher eine schüchterne und zurückhaltende Person ist findet man hier superschnell Freunde, da gerade am UCC sehr viele internationale Studierende sind, die alle noch keine andere Person kennen. Dadurch ist es viel einfacher neue Leute kennenzulernen. Durch das Auslandsemester konnte ich viel über mich selbst, über Irland und über andere Kulturen lernen.