Definition der Zielgruppen „Studierende mit geringeren Chancen“ in Deutschland
Mit dem Aufstockungsbetrag von 250 Euro sollen im Erasmus+ Programm all diejenigen angesprochen und mobilisiert werden, die auf Grund unterschiedlicher Hürden bisher nur selten oder gar nicht am Programm teilnehmen konnten.
Es ist Aufgabe der jeweiligen Nationalen Agentur in Abstimmung mit der zuständigen nationalen Behörde, die Zielgruppe(n) für den Erhalt der finanziellen Zusatzförderung als Teilnehmende mit geringeren Chancen für jeden Erasmus+ Aufruf festzulegen.
Anhand nationaler Daten haben wir als Nationale Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit in Deutschland (NA DAAD) weniger mobile Studierendengruppen identifiziert, die einen erhöhten Unterstützungsbedarf zur Realisierung einer Auslandsmobilität auf Grund organisatorischer und finanzieller Barrieren haben.
Auf dieser Grundlage haben wir in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Zielgruppen der Teilnehmenden mit geringeren Chancen festgelegt, denen wir durch die zusätzliche Förderung einen Erasmus+ Auslandsaufenthalt ermöglichen möchten.
Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus
Der Anteil an Erstakademikerinnen und Erstakademikern an deutschen Hochschulen betrug 2021 rund 42 Prozent (22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks, 2023). Die Ergebnisse des Deutschen Studierendenwerks zeigen zudem, dass Erstakademikerinnen und Erstakademiker während des Studiums weniger mobil sind. Ein Diskussionspapier des Stifterverbandes bestätigt, dass weniger Erfahrungswerte im unmittelbaren Umfeld und fehlende Vorbilder dazu führen, dass sich Kinder aus einem nicht-akademischen Elternhaus ein Studium seltener zutrauen. Kompetenznachteile aufgrund weniger Unterstützung durch die Eltern und oftmals fehlende Lernausstattung und digitale Infrastruktur sowie Informationsdefizite stellen neben der Finanzierung von Studium und Auslandsaufenthalten eine wesentliche Hürde dar (Vom Arbeiterkind zum Doktor | Stifterverband).
Erwerbstätige Studierende
Die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks zeigt: 2016 sah mehr als jede(r) zweite Studierende (51 Prozent) in Deutschland eine Hürde bezüglich der Umsetzung einer Auslandsmobilität im Wegfall des Einkommens durch Jobs in Deutschland. Der Anteil erwerbstätiger Studierender im Präsenz-Studium betrug 2016 im Sommersemester 69 Prozent und 2021 im Sommersemester 64 Prozent. Weit mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Studierenden war dabei auf den eigenen Verdienst zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen.
Bei den erwerbstätigen Studierenden zeigt sich zudem eine große Schnittmenge zu den beiden Zielgruppen „Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus“ und „Studierende mit Kind/ern“. Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus sind mit 67 Prozent häufiger erwerbstätig als Studierende aus akademischen Elternhäusern (60 Prozent). Auch Studierende mit Kind/ern sind mit 68,4 Prozent häufiger erwerbstätig als kinderlose Studierende (62,5 Prozent) (22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks, 2023).
Teilnehmende mit Kind/ern
Studierende mit Kind/ern hatten im Sommersemester 2021 einen Anteil von 8 Prozent an deutschen Hochschulen und waren seltener studienbezogen im Ausland als kinderlose Studierende (22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks, 2023) Gründe hierfür können Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie, Studium und Beruf, das Fehlen adäquater und zielgruppenorientierter Informations- und Studienangebote an Hochschulen, wie beispielsweise flexible Studienangebote, sowie ein deutlich erhöhter organisatorischer und finanzieller Bedarf gegenüber Studierenden ohne Kinder im Ausland sein.
Teilnehmende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung
Studierende mit einer oder mehreren gesundheitlichen Beeinträchtigungen hatten im Befragungszeitraum 2021 einen Anteil von 24 Prozent (Vergleich: Sommersemester 2016 11 Prozent) an deutschen Hochschulen (22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks, 2023, 21. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks, 2016). 16 Prozent der Studierenden gab zudem an, dass sich die gesundheitliche Beeinträchtigung erschwerend auf das Studium auswirkt. Mögliche Hürden bezüglich der Durchführung eines Auslandsaufenthalts sind fehlende Barrierefreiheit auf allen Ebenen, Mangel an Erfahrungsberichten, Vorbildern, Informationen und passenden Beratungsangeboten sowie der häufig deutlich erhöhte organisatorische und finanzielle Aufwand eines Auslandsaufenthaltes.