2. Art des Studienaufenthalts
Die weltweite Coronapandemie hatte auch gravierende Auswirkungen auf die internationale Mobilität von Studierenden deutscher Hochschulen. Bedeutete bis zum Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 Auslandsmobilität von Studierenden in erster Linie den physischen Aufenthalt an einer ausländischen Gasthochschule, gab es in den hier betrachteten drei Semestern erstmals in größerem Umfang ebenfalls Formen der hybriden und der virtuellen Auslandsmobilität.
Abb. 2.1
Der physische Studienaufenthalt dominiert zwar nach wie vor. Immerhin ein knappes Drittel der befragen Studierenden führte allerdings eine hybride (24%) oder eine virtuelle (7%) Mobilität durch.
Abb. 2.2
Auf die drei Semester verteilt sind Verschiebungen zugunsten der physischen und der rein virtuellen Mobilitätsformen festzustellen. Der Anteil der hybriden Aufenthalte ist dagegen von 47% im SoSe 2020 auf 17% im SoSe 2021 gesunken.
Ein Grund für den sehr hohen Anteil hybrider Studienaufenthalte im ersten Coronasemester (SoSe 2020) ist in der unübersichtlichen Lage infolge weltweiter Reisebeschränkungen und -warnungen sowie den Umstellungen von Präsenz- auf virtuelle Lehrveranstaltungen an den ausländischen Gasthochschulen zu sehen. Diese Umstände hatten zur Folge, dass viele Studierende, die ihren physischen Aufenthalt im Ausland bereits begonnen hatten, vorzeitig in ihr Heimatland zurückkehrten. Einen besonderen Anreiz, das Auslandsstudium jedoch nicht vollständig abzubrechen, sondern es virtuell zu Hause weiter fortzuführen, übte dabei die Förderung auch dieser virtuellen Studienphase durch das Erasmus+ Programm aus. Dagegen wurden bei hybriden Studienaufenthalten in den nachfolgenden Coronasemestern nur noch ausschließlich die physischen Studienphasen an der Gasthochschule vor Ort gefördert. Dies mag dazu beigetragen haben, dass in diesem Zeitraum die hybriden Aufenthalte zurückgingen. Hybride Studienaufenthalte wurden ebenfalls über das PROMOS-Programm gefördert. Hier konnte nicht nur 2020 sondern auch 2021 während der virtuellen Studienphasen eine Förderung bezogen werden. 2020 haben hiervon mehr Studierende Gebrauch gemacht (20%) als 2021 (6%).
Der Anstieg der virtuellen Studienaufenthalte ist vermutlich auf die Förderung dieser Mobilitätsform über das Erasmus+ Programm zurückzuführen. Seit dem WiSe 2021 bestand für ca. 1.000 Studierende die Möglichkeit, eine virtuelle Mobilität von zu Hause aus an einer ausländischen Gasthochschule zu absolvieren. Ein Stipendium gab es für diese Mobilitätsform zwar nicht, es wurde jedoch die Studiengebühr der ausländischen Gasthochschule erlassen und die Anerkennung der virtuell erbrachten Leistungen in Aussicht gestellt. Im WiSe 2021 betrug der Anteil dieser virtuellen Aufenthalte an den über Erasmus+ mobilen Studierenden 1%, im folgenden SoSe 2021 14%. Im PROMOS-Programm erhielten virtuell mobile Studierende dagegen auch eine Förderung. Der Anteil dieser Mobilitätsart lag sowohl im Förderjahr 2020 als auch 2021 bei einem Anteil von jeweils 7%.
Abb. 2.3
Als Gastregion wählte eine große Mehrheit der Studierenden, die sich für einen physischen oder einen hybriden Studienaufenthalt entschied, den EHR (87% bzw. 88%). Ein Grund für diese Wahl ist darin zu sehen, dass dort nach dem Sommer 2020 für Studierende unter Einhaltung der jeweils geltenden Corona-Maßnahmen die Einreisebeschränkungen in den Mitgliedsländern wegfielen. In anderen Regionen, wie in den USA und Australien, war hingegen eine Einreise lange Zeit nicht möglich. Ein Gastland im EHR bot zudem den Vorteil, im Falle einer Corona-Erkrankung schneller wieder ins Heimatland reisen zu können.
Die beschränkten Einreisemöglichkeiten außerhalb des EHR haben vermutlich auch die Wahl von Studierenden beeinflusst, einen ursprünglich dort geplanten physischen Aufenthalt in diesen Regionen dann virtuell zu absolvieren. So haben immerhin 33% der Studierenden mit virtuellem Aufenthalt hierfür eine Gasthochschule außerhalb des EHR gewählt.
Abb. 2.4
Eine weitere Besonderheit der rein virtuellen Aufenthalte besteht darin, dass es sich hier überdurchschnittlich oft um Pflichtaufenthalte handelt. Ihr Anteil liegt bei 26% gegenüber einem durchschnittlichen Anteil von 16% (Hybride Mobilitäten: 18%). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass manche Studierende, die in einem Studiengang mit einem Pflichtaufenthalt eingeschrieben waren, möglicherweise weniger motiviert waren, für einen Studiengangabschnitt ins Ausland zu gehen. Für die boten die hybriden oder die virtuellen Aufenthalte eine Option, um ihre Verpflichtungen im Heimatland mit den geforderten internationalen Erfahrungen zu vereinbaren. Dies wäre ein Indiz dafür, dass hybride oder virtuelle Mobilitätsformen dazu beitragen können, nicht- oder weniger mobilen Studierenden dennoch Erfahrungen an einer ausländischen Gasthochschule zu eröffnen.
Abb. 2.5
Gefragt nach ihren ursprünglichen Auslandsplänen bestätigten die Studierenden mit hybridem oder virtuellem Aufenthalt, dass viele von ihnen ursprünglich einen physischen Studienaufenthalt absolvieren wollten. Der Anteil liegt bei 85% (hybrid) bzw. 75% (virtuell) Von den Studierenden, die einen virtuellen Aufenthalt absolviert haben, hat sich knapp ein Viertel (23%) corona-bedingt von vornherein für diese Mobilitätsform entschieden. Bei den Studierenden mit hybridem Aufenthalt liegt dieser Anteil nur bei 9%. Angesichts der Tatsache, dass vor Beginn der Coronapandemie nur jeweils 1% einen hybriden oder einen virtuellen Studienaufenthalt absolvieren wollte, macht der letztendlich erreichte Anteil von insgesamt 31% deutlich, welches Potenzial diese Mobilitätsarten haben. Sie können in Zukunft eine Alternative zu einem physischen Aufenthalt bieten.
Abb. 2.5.1
Hybride und virtuelle Studienaufenthalte wurden mit der Zeit zunehmend gezielter geplant. Gaben im SoSe 2020 nur insgesamt 4% der Befragten an, bewusst eine dieser beiden Aufenthaltsarten geplant und realisiert zu haben, stieg ihr Anteil in den beiden nachfolgenden Semestern auf 17% bzw. 25% an. Diese Entwicklung ist ein Zeichen dafür, dass sich ein Teil der Studierenden bewusst mit den neuen, zunächst einmal pandemie-bedingten virtuellen Lehr- und Mobilitätsformaten arrangiert hat.
Abb. 2.6
Die Angaben zur Motivation für die Wahl eines hybriden bzw. eines virtuellen Aufenthalts lassen erkennen, dass Sachzwänge, wie die allgemeine Lage während der Coronapandemie und die zeitlichen Vorgaben des individuellen Studienverlaufsplans die Hauptantriebskräfte waren. Positive Anreize, wie der Gewinn an internationalen Erfahrungen und an Kompetenzen unter virtuellen und insgesamt besonderen Umständen spielten ebenfalls eine Rolle. Diese sind bei den Studierenden mit hybridem Aufenthalt schwächer ausgeprägt als bei denen mit virtuellem. Einen positiven Anreiz bildete auch die Aussicht, internationale Erfahrungen mit einem geringeren finanziellen und zeitlichen Aufwand sammeln zu können. Dies könnte ein Anreiz für bisher nicht- oder weniger mobile Studierende darstellen, virtuelle oder hybride Studienaufenthalte im Ausland zu absolvieren und so internationale Lernerfahrungen zu sammeln.
Abb. 2.7
In den in der Umfrage am häufigsten vertretenen Studienfächern Wirtschafts- (24%), Ingenieur- (16%), Sozial- (8%), Natur- (8%), Rechts- (6%) und Sprachwissenschaften (6%) sind auch die Studierenden der hybriden und virtuellen Auslandsaufenthalte proportional entsprechend vertreten. Auffällig ist hier der überdurchschnittliche Anteil der virtuellen Aufenthalte bei den Wirtschaftswissenschaften (36%). Zurückzuführen ist dieser vermutlich auf die Unterstützung durch das Erasmus+ Programm, das ab dem WiSe 2020/21 virtuelle Studienaufenthalte ermöglichte (s. Kapitel 2, Abb. 2.2.). Der Anteil der Wirtschaftswissenschaften an dieser über Erasmus+ gewährten Mobilitätsart ist überdurchschnittlich hoch. Dies ist auch im PROMOS-Programm der Fall. Auch bei den Sozial- (12%) und den Sprachwissenschaften (8%) liegen sie über dem Durchschnitt. Dies könnte daran liegen, dass sich manche Studienfächer für einen virtuellen Aufenthalt besser eignen als andere (s. Kapitel 5, Abb. 5.6.). Die hybriden Aufenthalte sind hingegen in den meisten Studienfächern eher durchschnittlich oder leicht unterdurchschnittlich vertreten.