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Lisa: Leben und forschen in Südfrankreich

Lisa / DAAD

Salut! Ich bin Lisa, 23 Jahre und ich absolviere von März 2023 bis August 2023 ein Erasmus+ Praktikum in Toulouse (Süd-Frankreich). Seit mehreren Jahren studiere ich schon Physik an der TU Dresden und nun starte ich endlich in die Abschlussphase: mit einem halben Jahr Masterarbeit im Ausland!

März 2023: Erstmal ankommen & erste Tage am Institut

Das Institut der zwei Unendlichkeiten

Meine Betreuerin hat seit letztem Sommer eine Junior-Professur am Institut der zwei Unendlichkeiten in Toulouse (https://www.l2it.in2p3.fr/). Durch mein Erasmus+ Praktikum bin ich nun auch Mitglied des Instituts, das ich euch hier kurz vorstellen möchte.
Das Institut besteht aus vier Arbeitsgruppen:
Eine Gruppe arbeitet im unendlich Großen an Gravitationswellen. Dafür sind sie z.B. Teil des LISA-Experiments (https://lisa.nasa.gov/) und analysieren Daten um mehr über das Verhalten von Schwarzen Löchern, Sternen und dem Konzept der Gravitationswellen im Allgemeinen zu erfahren.
Die nächste Gruppe beschäftigt sich mit Rechenleistung und der Erforschung von neuen, schnelleren Algorithmen, z.B. im Bereich des Machine Learnings, um schnell viele Daten verarbeiten zu können.
Die dritte Gruppe untersucht Kernphysikprozesse, also bspw. die Wechselwirkungen von Isotopen miteinander, und die vierte Gruppe beschäftigt sich mit der Teilchenphysik, den Wechselwirkungen von Teilchen so klein wie das Elektron oder das Proton. Diese beiden Gruppen schauen sich also das unendlich Kleine an.
Joany und ich sind beide der Teilchenphysik verschrieben.
Da Experimentieranlagen in diesem Gebiet oft sehr aufwändig, extrem teuer und riesig sind, schließen sich Forscher:innen zu großen Kollaborationen zusammen. Wir sind Teil der ATLAS Kollaboration (https://atlas.cern/), die einen Detektor am Forschungszentrum CERN in Genf betreibt. Kurz gesagt gibt es am CERN einen großen Ring, in dem Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und auf Kollisionskurs gebracht werden. An jedem der Kollisionspunkte steht ein Detektor, der die Kollision versucht aufzunehmen und zu speichern.

L2it Image-accueil Carre
Institut der zwei Unendlichkeiten, Toulouse / DAAD

Zum Beispiel misst er die Energien der Teilchen, die bei einer Kollision entstehen und auch deren Richtungen. Die so gesammelten Daten werten dann Menschen wie Joany (und hoffentlich bald auch ich!) aus, um aktuelle Physik-Theorien zu bestätigen oder neue Physik zu suchen. Die physikalischen Prozesse, die uns in der Arbeitsgruppe genauer interessieren, haben etwas mit dem Higgs-Teilchen und seinen Wechselwirkungen zu tun. Dazu werde ich euch in den nächsten Beiträgen noch genaueres erzählen.

Gemeinsames Mittagessen ist ein sehr wichtiges Event im Institut, bei dem man sehr gut mit den anderen quatschen kann. Seit ich angekommen bin hatten wir auch schon einen gemeinsamen Bar-Abend und eine Diskussion im Kino zu Frauen in der Wissenschaft (nachdem wir den Film "Radioactive" über Marie Curie geschaut haben). Worauf ich mich schon sehr freue, sind gemeinsame Wanderungen in den Pyrenäen. Alles in allem besteht das Institut aus unendlich lieben Menschen, die mich sehr gut aufgenommen haben.

Erstmal ankommen

Meine Zugreise von Freiburg aus war leider anstrengender als gedacht: von spontan einen Flixbus um 5 Uhr nehmen, bis denken, dass die Anschlüsse nicht warten werden über zwei Stunden in Montpellier sitzen, weil wohl alles Verspätung hatte - ich habe alles mitgenommen!
Ich bin gegen 17 Uhr in Toulouse angekommen und habe direkt in mein Hotel in Bahnhofsnähe eingecheckt. Leider konnte ich mein Wohnheim nicht direkt beziehen und musste mich noch einen Tag gedulden. So konnte ich einfach entspannt einen Film schauen und zeitig schlafen.
Am nächsten Tag habe ich morgens die Schlüssel (fünf Stück!) für mein Einzelzimmerappartement bekommen. Der restliche Tag bestand aus, Wohnung putzen und Leboncoin (~französisches Kleinanzeigen) durchforsten für Wohnungseinrichtung.
Am 1.3. war dann mein erster offizieller Arbeitstag. Das Institut kannte ich bereits vom Besuch im November, trotzdem gab es viel neues zu entdecken und neue Menschen kennenzulernen. Meine ersten Arbeitstage haben noch wenig aus Physik, dafür aus sehr viel Organisationskram bestanden. Ich benötige diverse Computing Accounts, bspw. an meinem Institut und beim CERN, Zugriff zu Computing Clustern, zu den Instituts Chats... Das alles einzurichten ist tatsächlich ein wochenfüllendes Programm.
Viel Zeit die Stadt zu erkunden hatte ich noch nicht, es war aber auch sehr kalt (mit Schnee!), sodass es nicht so schlimm war. Den ersten sonnigen Tag, Sonntag, habe ich dann genutzt und bin ausgiebig in der Stadt spazieren gegangen.

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Lisa / DAAD
Erstmalankommen2 Lisa / DAAD

Mir war von vorneherein klar, dass ich mit dem Zug reisen möchte. Es ist eine bequeme, halbwegs günstige Art zu reisen und deutlich besser für unsere Umwelt als fliegen. Da ich "grün" anreisen werde, kann ich den Erasmus+ Green Top-up in Anspruch nehmen.
Logistisch war die Planung etwas kompliziert, da ich von Dresden aus nur gute Verbindungen über Paris gefunden habe und dort in kurzer Zeit umsteigen ist mir zu stressig. Mein Plan ist daher einen Freund und ehemaligen Kommilitonen in Freiburg zu besuchen und von dort aus dann über Montpellier nach Toulouse zu düsen. Damit bin ich an meinem eigentlichen Reisetag etwas mehr als neun Stunden unterwegs! Weil es diese Verbindung nicht günstig zu buchen gab und ich im Februar ein bisschen Reisen wollte, ist dieser Trip Teil einer Interrail Reise. Vorsicht: die französischen Schnellzüge, die ich nutze (Intercités und TGV), haben eine Sitzplatzreservierungspflicht, die nicht im Ticket enthalten ist.

Als Gepäck werde ich meinen großen Koffer, einen großen sowie einen kleinen Rucksack mitnehmen. Das habe ich in meinem vorherigen Erasmus+ Aufenthalt schon einmal erprobt und damit reist es sich in den Schnellzügen sehr gut. Was genau ich einpacken werde muss ich noch final austesten. In Toulouse wird es sehr warm werden, also sind Bikini und Sommersachen sowieso dabei. Ich gehe aber auch gern wandern und klettern und kann nicht alles an Ausrüstung einpacken, was ich habe. Leicht packen ist leider nicht meine Stärke. Mit müssen auf jeden Fall ein Stick mit den wichtigsten Dokumenten (Personalausweis und Führerschein Kopie, Zeugnisse, Versicherungsbestätigungen, …), die auch in meiner TUD-Cloud ein BackUp finden.

Der aktuelle Wohnungsmarkt ist überall ein Graus - damit leider auch in Toulouse. Für mich kommen WGs mit mehr als zwei Mitbewohner:innen nicht wirklich in Frage, am liebsten würde ich alleine wohnen.
Als erste Anlaufstelle habe ich der Erasmus+ Beauftragten der Paul Sabatier Université geschrieben. Leider war ich aber schon zu spät dran; die Uni hatte keine Studentenwerks-Wohnheimplätze mehr für internationale Studerende frei. Auf normale, freie Plätze in den Studentenwohnheimen konnte ich mich als nicht-Französin leider auch nicht bewerben.
Um nach WGs zu suchen, bietet sich bspw. das französische Äquivalent zu „ WG gesucht“an: https://www.lacartedescolocs.fr/. Genauso sollte man auch https://www.leboncoin.fr/ , SeLoger und ähnliche Websiten nicht missachten. Man muss aber immer vorsichtig bleiben, denn Anbieter dort werden nicht verifiziert und es gibt häufig Scams.
In Toulouse gibt es auch noch verschiedene private Wohnheime (sehr teuer!) und diverse private soziale Wohnheime.
Ich habe ewig viele Bewerbungen geschrieben, wurde oft abgewiesen, musste viel telefonieren und hatte WG-Castings, … bis ich tatsächlich von https://www.oh-monappartetudiant.fr/ eine 1-Zimmerwohnung mit Küchenzeile und Bad angeboten bekommen habe!
Bürgschaft in Frankreich: Über das staatliche Netzwerk Action Logement erhalten junge Menschen viel Unterstützung. Mit einem “Visale Visa“ https://www.visale.fr/ stellt der Staat den Vermieter:innen eine, für die Studierenden kostenfreie Bürgschaft zur Verfügung. Nutzt das unbedingt, wenn eure Vermieter:innen es akzeptieren!

Warum eigentlich nach Toulouse?

Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder darüber nachgedacht, dass es spannend wäre, meine Abschlussarbeit (oder einen Teil davon) im Ausland zu absolvieren. Da ich nicht zwingend an Institute aus Dresden gebunden bin, ließe sich das gut mit einem freiwilligen Erasmus+ Praktikum umsetzen. Blieb nur noch die Frage nach dem “Wohin?”.
Meine Bachelorarbeit habe ich in einer ganz tollen Arbeitsgruppe geschrieben. Trotz Corona-Pandemie gab es einige private Treffen zum Grillen und Quatschen. Dabei war immer eine Postdoc, Joany Manjarres, bei der ich damals auch meine Übung im Modul “Kern und Teilchenphysik” belegt habe. Während dieser Zeit habe ich bemerkt, dass sie eine gute Mentorin ist. Großartiger Weise hat sie nun eine Junior-Professur an der Université Paul Sabatier, Toulouse, im L2IT (Institut der zwei Unendlichkeiten) bekommen und kann dadurch offiziell Masteranden betreuen.

Also habe ich Joany einfach mal gefragt, ob sie denn Lust drauf hätte mit mir zusammen zu arbeiten. Und das hatte sie tatsächlich!
Sprachlich würde auch alles passen, da ich in den letzten Jahren französisch Sprachkurse belegt habe und nun auf einem ausreichend guten Level bin.

Der letzte Schritt für die Toulouse-Entscheidung war, die Stadt einmal zu besuchen; vielleicht wäre es ja gar kein Ort, an dem ich mich wohlfühlen würde. Ein Wochenendtrip konnte die Bedenken auflösen - diese Stadt ist super schön! Damit stand die Entscheidung fest: Es soll für mich nach Toulouse gehen.


Die Erasmus+ Bewerbung

Im Vergleich zu einer Bewerbung für ein Erasmus+ Studium, war die Bewerbung um ein Erasmus+ Praktikum für mich deutlich einfacher und weniger Bürokratie lastig. Joany, meine Betreuerin, hatte sich für mich schon ein grobes Projekt ausgedacht, sodass wir das Learning Agreement sehr schnell ausfüllen konnten. Ich werde vom 01.03.2023 bis zum 11.08.2023 in Toulouse für mein Praktikum sein und dort die erste Hälfte meiner Masterarbeit absolvieren. Die Unterschrift von meinem Erasmuskoordinator habe ich auch sehr unkompliziert bekommen.

Zusätzlich dazu musste ich nur noch meine Erasmus+ Green Erklärung einreichen, da ich mit dem Zug anreisen werde.
Leider konnte ich im Herbst/Winter 2022 noch keine Zusage des Leonardo Büro Dresden (verantwortlich für die Erasmus+ Praktika) bekommen, da noch unklar war, ob es weitere Fördergelder vom DAAD geben wird. Als Back-Up hatte mir Joany aber eine Unterstützung des Instituts in Toulouse versprochen.

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