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Julianna Zsido

(Pricing) Aktuarin bei der Allianz Versicherungs-AG

Infos zum Erasmus-Aufenthalt

Jahr: 2004
Art: Studium
Zielland: Frankreich, Nizza
Fachrichtung: Mathematik
Deutsche Hochschule: Technische Universität München

Ein Bild von Julianna Zsido.
privat/DAAD

All das wäre ohne den Erasmus-Aufenthalt so nicht passiert!

Was hat Ihnen an Frankreich besonders gefallen, so dass Sie direkt acht weitere Jahre nach Ihrem Erasmus-Aufenthalt dort geblieben sind?

An Südfrankreich hat mir die Nähe zum Meer und das mediterrane Klima besonders gut gefallen. Zudem fand ich auch die meisten Menschen, denen ich privat oder beruflich begegnet bin, angenehm und herzlich. Ich habe mich stets gut integriert gefühlt, da das Forschungsumfeld, in dem ich die Jahre gearbeitet habe, international ist. Natürlich haben mich auch die Inhalte meiner Tätigkeiten gefesselt. Ich habe an der Uni Nizza promoviert und meine ersten Schritte in der mathematischen Forschung getätigt. Die späteren Postdoc-Stellen, die übrigens nicht unbedingt mit meinem Promotionsthema zu tun hatten, haben mir weitere interessante Einblicke in die Didaktik der Mathematik und das automatische Theorembeweisen gewährt.

Inwiefern hat sich das Studium der Mathematik in Frankreich zu dem in Deutschland unterschieden?

An meiner Heimatuniversität, der TU München, wurde damals viel angewandte Mathematik, wie Stochastik, Optimierung und Numerik gelehrt, an der Uni Nizza hingegen viel reine Mathematik, viel Algebra und Geometrie, aber auch Logik. Die Ansprüche an die Studierenden waren anders: es wurde viel Wert auf die syntaktisch korrekte, aber auch leserliche und flüssige Aufschrift eines Beweises geachtet und in Übungen darauf eingegangen. Beweise bestehend aus zwar syntaktisch korrekten Zeichenketten ohne erklärenden Text dazwischen waren nicht gern gesehen. Viele wichtige Theoreme wurden betont ihren "Entdeckern" zugeordnet, wohingegen man in Deutschland so etwas zu schreiben wie "Theorem von Cauchy" eher vermieden hätte, denn viele Theoreme werden mit Cauchy in Verbindung gebracht.

Gibt es noch andere Dinge, die in Frankreich einfach "anders" sind oder sich anders anfühlen?

Zu den Dingen, die in Frankreich anders sind, muss man zunächst das Essen zählen: die traditionell französischen Gerichte in den Restaurants, die Nahrungsmittel im Supermarkt oder auf dem Markt. In Frankreich gibt es eine größere Tradition von (Bauern-)märkten: man kann fast jeden Tag frisches Obst und Gemüse von den Bauern aus der Umgebung auf dem Markt kaufen. Die Hauptmahlzeit ist die am Abend und ein Apéro im Freundeskreis oder in größerer Runde ist sehr beliebt.
Öffentliche Transportmittel, Theater-, Konzert- und Opernkarten sind preisgünstiger als in Deutschland. Am 21. Juni findet jedes Jahr das "Fête de la Musique" in jeder größeren Stadt statt. Für Radiosender gibt es eine Quote von 40% für französischsprachige Musik. Es gibt eine traditions- und einflussreiche Institution für die Pflege der französischen Sprache, die Académie française.
Im Mai sind so viele Feiertage, dass mit den Brückentagen das Arbeitsleben stillsteht. Der Sommer fängt in Frankreich offiziell am 14. Juli an und endet mit der Rentrée Anfang September, dazwischen steht das Arbeitsleben auch eher still. Weihnachten wird nur am 25. Dezember gefeiert, der 26. ist kein Feiertag in Frankreich.
Für französische Frauen ist es normal, Karriere und Familie zu vereinbaren. Es ist gesellschaftlich voll akzeptiert, dass Mütter nach ihrer Elternzeit wieder ganz normal arbeiten gehen. Es gibt Vorschulen, écoles maternelles, in die fast alle Kinder ab einem Alter von drei Jahren gehen. Hier gibt es, bis auf mittwochs, wie in den regulären Schulen auch, eine Ganztagsbetreuung.

Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft noch einmal für längere Zeit im Ausland zu leben und zu arbeiten? Warum?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, in Zukunft wieder in Frankreich zu leben. Wenn sich arbeitstechnisch eine gute Möglichkeit bietet, würde ich sie ergreifen. Außerdem halte ich es derzeit für nicht ausgeschlossen, meinen Lebensabend an der Côte d‘Azur zu verbringen. Ich bin immer noch ein großer Frankreich-Fan und ich habe die Jahre dort genossen, ich beherrsche die Sprache auf einem hohen Niveau, so dass ich mir in Frankreich nicht fremder vorkomme, als beispielsweise in Norddeutschland.
Im Ausland außerhalb von Frankreich zu leben, empfände ich viel weniger reizvoll und würde einer Möglichkeit viel skeptischer entgegentreten. Immerhin weiß ich, wie "die Franzosen ticken" und würde mich in einer neuen Umgebung schnell eingewöhnen, wohingegen in anderen Ländern alles ein kompletter Neuanfang im Unbekannten wäre.

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