Florian Heinlein
Angestellter in der Verkehrsforschung
Infos zum Erasmus-Aufenthalt
Auch heute noch würde ich Litauen jederzeit wieder als Austauschland wählen.
Schon als Kind faszinierte mich das Baltikum als Schnittstelle zwischen Ost und West. Als ich feststellte, dass Vilnius in Litauen eine der drei Austauschstädte für das Erasmus-Programm der Münchner Meteorologie ist, war ich sofort Feuer und Flamme. Meine Bewerbung verlief unkompliziert und bald darauf fing ich an, an der Volkshochschule Litauisch zu lernen. Meine Sprachkenntnisse konnte ich zusätzlich während eines EILC-Sommerkurses in Vilnius erweitern, dabei das Land besser kennen lernen und erste Freunde finden.
Sprache als Türöffner
Zur Anwendung des Litauischen führte mich damals ein guter Freund – ein Deutscher, der schon länger in Litauen wohnte. Mit ihm war ich oft in den Vilniuser Kneipen unterwegs und lernte Einheimische kennen. Auch wenn jeder junge Mensch in Litauen Englisch spricht, so öffnete die Kenntnis des Litauischen viele Türen. Die größte Herausforderung war die Klimatologie-Vorlesung. Der Dozent legte Wert darauf, im Kurs ausschließlich Litauisch zu sprechen. Die Besprechung der Übungsaufgaben und die Prüfungen konnten glücklicherweise auf Deutsch erfolgen, da in der Prüfung auf eine sehr korrekte Sprache geachtet wird (auch in naturwissenschaftlichen Fächern werden dort Rechtschreib- und Grammatikfehler angestrichen und fließen in die Benotung mit ein). Das wäre dann doch etwas zu schwierig für mich gewesen.
Im Allgemeinen kam mir das Studium in Litauen verschulter als in Deutschland vor. Von den Studierenden wurde weniger selbstständiges Denken erwartet. Stattdessen ging es um Reproduktion und das Bearbeiten vorgegebener Aufgaben mit eindeutigen Lösungen. Zur Komplettierung meines Bachelors fehlten mir nur noch wenige Veranstaltungen, die nachträgliche Anerkennung meiner Studienleistungen in München war kein Problem.
Kultur und Menschen
Vilnius lernte ich als eine sehr offene und tolerante Stadt kennen, vor allem in Studierendenkreisen. Das kann man jedoch auch als Filterblase sehen. Als Ausländer ist es natürlich schwieriger, unzufriedene Menschen kennen zu lernen, die durch die neuesten Entwicklungen auf der Strecke bleiben. Erstaunlich war vor allem die sehr positive Sicht auf Deutschland, die mir bei vielen Menschen begegnete. Für die meisten Litauer stehen heutzutage die solidarische Partnerschaft mit Deutschland innerhalb der EU und der NATO, sowie die Kontakte in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft im Vordergrund.
Eine neue Heimat
Ein Höhepunkt meines Aufenthalts war die Sonnwendfeier auf dem Land. Die Mutter einer Mitbewohnerin hatte ein altes, deutsches Gutshaus gekauft, das Stück für Stück renoviert wird. Dorthin hatte sie uns Deutsche und einige litauische Freunde eingeladen. Es war eine wunderbare Erfahrung, die kürzeste Nacht des Jahres traditionell bei Lagerfeuer in der Natur zu feiern. Bis heute bin ich Litauen sehr verbunden. In Deutschland kann ich meine Sprachkenntnisse vor allem bei Treffen des Litauischen Jugendbundes einsetzen, an denen ich seit ein paar Jahren teilnehme.
Und noch immer habe ich viele Freunde in Litauen, die ich in der Regel ein Mal im Jahr besuche. Seit 2017 verzichte ich aus Klimaschutzgründen innerhalb Europas auf die Nutzung von Flugzeugen und nutze stattdessen Bahn und Bus für meine Reisen nach Litauen. Dies verlängert zwar die Reisedauer, erhöht aber gleichzeitig die Vorfreude. Und nach wie vor überkommt mich bei jedem Besuch aufs Neue ein gewisses Heimatgefühl.