Susanne Horl
Schuman Trainee im Europäischen Parlament
Infos zum Erasmus-Aufenthalt
Europa als Thema hat mich seit meinem Erasmus-Aufenthalt nicht mehr losgelassen.
Warum haben Sie sich damals für Polen als Erasmus-Zielland entschieden?
Meine Faszination für Ostmitteleuropa und dabei vor allem Polen hat sich über mehrere Jahre entwickelt und sich vor allem aus der Neugier gespeist, dass ich mit meinem Aufenthalt in Polen ein Land entdecken konnte, über das ich – anders als im Falle Großbritanniens, Frankreichs oder Spaniens – aus Schule und Studium noch kaum etwas wusste.
Mit all den negativen Stereotypen und Vorurteilen meiner Freunde, Familie und Kommilitonen im Gepäck kam ich 2011 in ein unglaubliches, unterschätztes und sich rasend schnell entwickelndes Land. Neben der Erfahrung, an einer anderen Universität zu studieren, durfte ich ein Jahr lang das kulturelle Leben in Wroclaw genießen, einer Stadt, die nicht zu Unrecht 2016 den Titel als Europäische Kulturhauptstadt geführt hat.
Was waren für Sie die größten kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten?
Allgemein gibt es kulturell viel weniger Unterschiede als einem die platten, gängigen Vorurteile glauben machen wollen. Wenn ich mich auf einen prägnanten Punkt festlegten müsste, würde ich die Religiosität vieler – auch junger – Polen nennen, die sicherlich viel ausgeprägter ist als in Deutschland.
Als Gemeinsamkeit hat mich bei meinem ersten Besuch in Polen überrascht, wie ähnlich sich die Küchen beider Länder sind, denn hüben wie drüben kocht man viele traditionelle Gerichte auf Kraut-, Kartoffel- und Fleischbasis.
Haben Sie nebenbei Polnisch gelernt, oder aktiv an Ihren Sprachkenntnissen gearbeitet?
Irgendetwas an diesem Land hat mich seitdem nicht losgelassen, denn meiner Meinung nach geht es im Umgang mit Anderen nicht nur darum, Stereotype abzubauen, sondern eben auch Verhaltensweisen und Denkweisen grundlegend zu verstehen. Und dazu braucht man unausweichlich die Sprache.
Waren meine Sprachkenntnisse während meines Erasmus-Jahres noch sehr holprig, spreche ich nach einem weiteren längeren Praktikum in Polen, meinem Masterstudium an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und ein paar weiteren Sprachkursen mittlerweile ziemlich fließend Polnisch. Einen Umstand, den ich für fast unmöglich gehalten hätte, als ich während meines ersten Aufenthaltes mit sechs grammatikalischen Fällen und einer für Deutsche mehr als ungewöhnlichen Aussprache konfrontiert wurde.
Inwieweit beeinflussen Ihre Erlebnisse Sie heute in Ihrer Arbeit und Ihrem privaten Umfeld?
Europa als Thema hat mich seit meinem Erasmus-Aufenthalt nicht mehr losgelassen. Neben meinem Masterstudium in European Studies bin ich auch nach meinem Auslandsstudium wiederholt ins Ausland gegangen und habe mir – egal wo ich gerade wohne – generell einen interkulturellen Freundeskreis bewahrt.
Gerade in meiner jetzigen Rolle als Schuman Trainee in der Verwaltung des Europäischen Parlaments in Brüssel kann ich von diesen Erfahrungen wieder profitieren und unterschiedliche Standpunkte wahrscheinlich leichter nachvollziehen als andere.
Manche politische Entwicklung der letzten Zeit macht mir dennoch große Sorgen, zeigt mir auf der anderen Seite jedoch auch, wie wichtig es ist, sich für ein liberales und tolerantes Europa einzusetzen und den Dialog zu suchen.