Was ist neu bei den Partnerschaften, Kooperationsprojekten und in der Politikunterstützung?
Interviewfragen an Beate Körner, Referatsleiterin EU03 – Erasmus+ Leitaktion 2: Partnerschaften und Kooperationsprojekte und David Akrami Flores, Referatsleiter EU04 - Erasmus+ Leitaktion 3: Politikunterstützung
Die neue Programmgeneration Erasmus+ ist im vergangenen Jahr gestartet. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz in Sachen Partnerschaften und Kooperationsprojekte aus? Wie groß ist das Interesse vonseiten der Hochschulen?
Beate Körner: Trotz Corona und einer verzögerten Einigung über den EU-Finanzrahmen 2021-2027 lässt sich für den Start der neuen Programmgeneration auch im Hinblick auf die Partnerschaften und Kooperationsprojekte eine sehr positive Bilanz ziehen. Es werden sehr attraktive Möglichkeiten für Kooperationsvorhaben deutscher Hochschulen und weiterer Institutionen in Europa und weltweit angeboten, sodass die Hochschulen ein breites Spektrum an Instrumenten für ihre Internationalisierung, für die Verbesserung der Qualität der Lehre sowie zur Vernetzung der Hochschulen untereinander sowie mit der Gesellschaft und der Wirtschaft zur Verfügung haben, die sie auch gern komplementär nutzen können. Hochschulen, die beispielsweise schon erfolgreich innereuropäisch zu einem Thema kooperiert haben, könnten dies beispielsweise in Zukunft in der Förderlinie „Capacity Building“ mit außereuropäischen Partnern weiterverfolgen und Hochschulen in Schwellenländern helfen ihre Kompetenzen auszubauen und ihre Lehre oder governance-Strukturen zu reformieren. Hochschulen, die vielleicht schon gemeinsam ein Curriculum für die Lehramtsausbildung in einer Strategischen Partnerschaft entwickelt haben, können die Förderlinien „Erasmus Mundus Design Measures“ nutzen, um einen gemeinsamen Studiengang daraus zu entwickeln oder eine der neuen „Teacher Academies“ beantragen, um die internationale Perspektive in der Lehrerbildung zu fördern und steigern und so die Attraktivität des Lehrberufs zu steigern.
Der im Vorfeld der neuen Programmgeneration angestoßene Co-Creation-Prozess zwischen EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und den Stakeholdern an den Hochschulen und anderen Institutionen z.B. zu den europäischen Hochschulen aber auch zu den anderen Förderlinien zeigt, dass die Stimmen der Projektvertreter, der nationalen Agenturen in Europa. Gehör gefunden haben. Deren Vorschläge bei der Ausgestaltung der verschiedenen Förderlinien im Projektbereich wurden zu großen Teilen berücksichtigt.
Das Echo aus den Hochschulen spiegelt dies unserem Empfinden nach auch wider, sei es in persönlichen Gesprächen, in der Beratung oder bei Veranstaltungen. So hat beispielsweise unser (virtuelles) „Erasmus+ Forum für Partnerschaften und Kooperationsprojekte“ im November 2021 sehr großen Anklang mit einer Rekordzahl von mehr als 250 Teilnehmern gefunden.
Die Nutzung der neu aufgesetzten Datenbanken und IT-Tools der EU-Kommission für die Umsetzung z.B. der Cooperation Partnerships, sowohl für die Antragsteller und Projektnehmer als auch für uns als NAs, wird sukzessive ausgeweitet. Wir sind positiv gestimmt, dass diese üblichen „Kinderkrankheiten" zu Beginn einer neuen Programmgeneration im Laufe des Jahres dann auch komplett vergehen und alles voll funktionsfähig ist.
Reich / DAAD
Welche neuen Angebote für Kooperationen und Partnerschaften sind bei Erasmus+ (2021 –2027) hinzugekommen?
Beate Körner: Die Initiative der Europäische Hochschulen wurde nach den beiden Pilotausschreibungen 2019 und 2020 nun voll ausgerollt. Hierfür stehen voraussichtlich 1,1 Mrd. Euro zur Verfügung. In drei Aufrufen 2022, 2023 und 2024 soll so die Ausweitung von aktuell 41 auf 60 Netzwerke mit 500 beteiligten Hochschulen in Europa ermöglicht werden.
Als ganz neue Förderlinie wurden die sogenannten „Teacher Academies“ oder auch Lehrkräfteakademien unter dem Dach von Erasmus+ ins Leben gerufen. Sie sollen eine europäische und internationale Perspektive für die Lehrkräfteausbildung entwickeln und die Attraktivität des Berufs steigern. Sie wollen zudem Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt fördern und die Lehrkräfteausbildung im Einklang mit den Zielen des europäischen Bildungsraums entwickeln.
In den Projekten werden Anbieter der Erstausbildung von Lehrkräften und Anbieter von berufsbegleitender Weiterbildung für Lehrkräfte mit z. B. Verbänden, Ministerien und anderen relevanten Interessenträgern zusammengebracht, um gemeinsam Strategien und Programme für ein berufsbezogenes Lernen zu entwickeln und zu erproben. Auch Schulen sind fester Bestandteil der Konsortien, um die neuen Lehr- und Lernkonzepte praxisnah anzuwenden.
Das Thema Mobilität von Lehrpersonal nimmt in den „Teacher Academies“ eine wichtige Rolle ein: Modelle der virtuellen, physischen und gemischten Mobilität sollen entwickelt werden, um Auslandsaufenthalte von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften qualitativ und quantitativ zu steigern und sie fest im Erstausbildungs- beziehungsweise Weiterbildungsangebot zu verankern.
Welche bestehenden Kooperationsangebote wurden weiterentwickelt?
Beate Körner: Eine Neuerung sind die Cooperation Partnerships. Allerdings sind diese nicht völlig neu, sondern bilden die Nachfolgeprogrammlinie der Strategischen Partnerschaften. Diese Kooperationspartnerschaften bieten den Hochschulen (und übrigens auch allen anderen Bildungsbereichen) eine attraktive Möglichkeit zur strukturierten Zusammenarbeit innerhalb Europas und darüber hinaus. Die Konsortialpartner bilden thematisch oder regional ausgerichtete Netzwerke und führen verschiedene Aktivitäten zur Vertiefung der inhaltlichen Zusammenarbeit und Unterstützung ihrer Internationalisierungsvorhaben durch. Hierzu zählen z. B. die Entwicklung gemeinsamer moderner Curricula, die Erprobung innovativer Lehr- und Lernmethoden, aber auch projektbasierte Kooperation mit Unternehmen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft. Der Kreativität sind bei der Themenfindung keine Grenzen gesetzt. Eine maßgebliche Neuerung in dieser Förderlinie wird die ab 2022 geplante Einführung eines Pauschalensystems sein, die das bisher recht komplizierte Finanzierungssystem vereinfachen soll. Dies gilt im Übrigen auch für einige der anderen Projektförderlinien.
Als ebenfalls sehr positiv ist zu bewerten, dass einige der bestehenden Förderlinien inhaltlich noch stärker auf die Bedürfnisse der Hochschulen ausgerichtet weiterentwickelt wurden, so dass hier eine zielgruppengerechtere Ansprache z.B. von bestimmten Fachbereichen und vor allem auch die bessere Einbeziehung von Newcomern in die Projektförderlinien möglich ist. So gibt es bei Erasmus Mundus neben der bereits existierenden Exzellenzförderlinie Erasmus Mundus Joint Masters nun auch die sogenannten Erasmus Mundus Design Measures, bei denen es möglich ist, einen gemeinsamen Studiengang auch erst neu aufzusetzen und zu entwickeln und nicht schon mit einem fertig akkreditierten Studiengang „ins Rennen“ zu gehen. Die „design measures“ sollen insbesondere unterrepräsentierte EU-Mitgliedstaaten, assoziierte Drittländer und Institutionen ermutigen, an Erasmus Mundus teilzunehmen. Ziel ist es auch, das Angebot der Masterstudiengänge um neue Themenbereiche zu erweitern.
Ein weiteres Beispiel sind die Kapazitätsaufbauprojekte zur Weiterentwicklung der akademischen Zusammenarbeit mit Drittländern, bei denen es nunmehr 3 sogenannte „strands“ gibt. Neben den bewährten Strukturreformprojekten bzw. Innovationsprojekten zur Internationalisierung und Modernisierung von Hochschulen und Hochschulsystemen sollen nun in kleineren Projekten insbesondere weniger erfahrene Hochschulen und Newcomer sowie Partner aus den am wenigsten entwickelten Ländern oder abgelegenen Regionen Zugang zur Hochschulkooperation erhalten, darunter auch benachteiligte Studierende und Hochschulpersonal.
Eine spannende Entwicklung hat auch die Förderlinie Zukunftsorientierte Projekte, vormals als Zukunftsweisende Kooperationsprojekte bekannt, genommen: Mit dem neuen Namen gehen auch höhere Fördersummen von bis zu einer Million Euro pro Projekt sowie eine deutliche Erhöhung des zur Verfügung stehenden Gesamtbudgets von 46 Millionen Euro einher. Inhaltlich richtet sich die Förderlinie stark nach den europäischen Schwerpunktsetzungen im Bildungsbereich. So zählen zu den Prioritäten des Aufrufes 2022 unter anderem die Förderung einer hochwertigen und integrativen digitalen Bildung sowie die Unterstützung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung bei der Anpassung an den grünen Wandel. Im Kern geht es darum, eine systemische Wirkung auf europäischer Ebene anzustreben, eine Übertragbarkeit auf andere Kontexte und Zielgruppen zu gewährleisten und die politische Agenda der allgemeinen und beruflichen Bildung voranzutreiben. Um diese ambitionierten Zielsetzungen zu erreichen, wird häufig eine weite Bandbreite unterschiedlicher institutioneller Akteure benötigt – dementsprechend richtet sich die Förderlinie auch an unterschiedliche Sektoren und bestärkt dadurch die Anbahnung sektorübergreifender Kooperationen.
Auch im Rahmen der Erasmus+ Politikunterstützung, der dritten Leitaktion, haben sich in der Vergangenheit immer wieder spannende Projekte entwickelt. Mit welchen Fördermöglichkeiten können potenzielle Antragstellende in der Programmgeneration 2021-2027 rechnen?
David Akrami Flores: Die Erasmus+ Politikunterstützung setzt auf Kontinuität: im Fokus steht weiterhin die Bildung von Schnittstellen zwischen politischen Akteuren, Institutionen aus dem Hochschulbereich sowie der Zivilgesellschaft. Die Förderung des politischen Dialogs im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie die Unterstützung einer fundierten Politikgestaltung sind beispielhafte Schwerpunkte, die auch in den nächsten Jahren die Ausgestaltung der Aufrufe bestimmen werden. Als besonders interessant haben sich in der Vergangenheit dabei Projekte der Förderlinie Europäische Experimentelle Maßnahmen erwiesen, deren Federführung hochrangige Behörden übernehmen, um innovative politische Maßnahmen in Feldversuchen zu testen und zu evaluieren. Die Ergebnisse bilden danach häufig die Grundlage für eine evidenzbasierte Politikgestaltung, die durch die Einbeziehung von Ministerien gewährleistet ist. Die Wirksamkeit und Effizienz der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung wurden und werden in Zukunft durch diese Art der Projekte verbessert. Zu der Erasmus+ Politikunterstützung zählte in der Vergangenheit auch die Förderlinie Projekte Sozialer Inklusion, die Hochschulen und weiteren Bildungsinstitutionen die Möglichkeit eröffnete, soziale Inklusion voranzutreiben, europäische Grundwerte zu vermitteln und einen aktiven Bürgersinn zu stärken. Mit einer Entscheidung über die Fortführung der Förderlinie wird im Laufe dieses Jahres gerechnet. Zusätzlich zu diesen Fördermöglichkeiten wird es auch in Zukunft unter der Erasmus+ Politikunterstützung eine Vielzahl an unregelmäßigen Aufrufen geben, die sich an spezifische Sektoren richten und bestimmte Themen adressieren - immer mit dem Ziel eine positive, innovative Wirkung auf systemischer Ebene zu generieren.
Welchen Beitrag zur europäischen Verständigung leisten aus Ihrer Sicht die geförderten Partnerschaften von Hochschulen und internationalen Kooperationsprojekte mit Forschenden aus vielen Ländern?
Beate Körner: Ganz eindeutig sind die Erasmus+ Kooperationsprojekte ein Treiber für gemeinsame akademische Zusammenarbeit in Europa und weltweit. Der Austausch untereinander zu gemeinschaftlich bearbeiteten inhaltlichen Themen ist Türöffner für Toleranz gegenüber unterschiedlichen (wissenschaftlichen) Meinungen und inhaltlichen Ansätzen und hält oftmals auch dort „Türen offen“, wo die politischen Gegensätze ein diplomatisches Miteinander gegenwärtig unmöglich machen. Und natürlich ist es toll, wenn gemeinsame innovative Projekte die weitere Ausbildung von Studierenden oder die Forschung und Weiterbildung von Lehrenden positiv beeinflussen und die Offenheit und Neugier gegenüber anderen Kulturen weiterhin als hohes Gut von den Beteiligten an den Hochschulen, aber auch in der Gesellschaft angesehen werden. Viele der Projektinhalte sind ja auch bildungsbereichsübergreifend angelegt und wirken mit ihren Ergebnissen in die Gesellschaft und deren Gelingen dann auch essentiell für eine europäische Verständigung ist.
Inwiefern haben große Umbrüche wie die globale Coronapandemie, aber auch der Brexit Auswirkungen auf die Nachfrage nach Partnerschaften und Kooperationsprojekten sowie ihre Gestaltung?
Beate Körner: Erfreulicherweise tut die Corona-Pandemie der Nachfrage und Umsetzung der Projekte kaum Abbruch. Sie werden weiterhin gut nachgefragt, da in der Regel Mobilität ja auch nicht im Zentrum der Projektförderung steht. Allerdings gibt es bei der Umsetzung der laufenden Projekte schon einige Probleme, besonders zu Beginn der Pandemie, z.B. bei geplanten Projekttreffen oder gemeinsamen Lernaktivitäten. Diese konnten und können jedoch durch die großzügigen Regelungen der EU-Kommission bezüglich „höherer Gewalt“ in finanzieller und inhaltlicher Sicht mehrheitlich von den Projektvertretern aufgefangen bzw. in virtuelle Treffen umgewandelt werden. Auch wir als Nationale Agentur versuchen, bei Problemen durch Corona besonders flexibel und unbürokratisch zu agieren. An dieser Stelle möchte ich ein großes Lob an alle Erasmus+ Projektvertreter aussprechen, die mit hoher intrinsischer Motivation, Kreativität und Flexibilität ihre Projekte trotz der Pandemie weiterhin durchführen.
Durch den Brexit bedingte Ausfälle britischer Partner konnten aufgefangen werden, in dem alle vorher begonnenen Projekte auch mit den britischen Partnern zu Ende geführt werden können. Bei den Förderlinien in der neuen Programmgeneration wurden negative Auswirkungen insofern gut abgefedert, als dass in fast allen Förderlinien Großbritannien bzw. Drittländer generell bei einem europäischen Mehrwert der Partner teilnehmen können und auch finanziell unterstützt werden. Einzig bei der Förderlinie „Europäische Hochschulen“ werden in Zukunft die Konsortien ohne Finanzierung für ihre britischen Partner auskommen müssen.
Welchen Satz, welches Lob würden Sie sich 2028 über die Erasmus+ Programmgeneration 2021–2027 wünschen?
Beate Körner: Diese Programmgeneration hat für die Erasmus+ Kooperationsprojekte eine wirkliche Vereinfachung der regulatorischen Vorgaben und der Finanzierungsarten gebracht.