04.06.2024 | Kategorie Hochschulpolitik
Europäischer Bildungsgipfel unterstreicht Bedeutung gemeinsamer akademischer Werte und Freiheiten im Bologna-Raum
Vom 29. bis 31. Mai 2024 tagte die Konferenz der Bildungsministerinnen und -minister des Europäischen Hochschulraums (EHR) in Tirana, Albanien. Zentrale Ergebnisse sind unter anderem die Stärkung der drei Bologna-Kernelemente der Studienstruktur, Anerkennung und Qualitätssicherung, ein klares Bekenntnis zur Bedeutung der Grundwerte im EHR sowie ein gemeinsamer Ansatz zur besseren und verantwortungsvollen Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Lehre und Forschung. Auch die Solidarität mit der Ukraine wurde erneut bekräftigt.
Das diesjährige Gipfeltreffen in Tirana, welches gemeinsam von Ministerpräsident Edi Rama und Bildungsministerin Ogerta Manastirliu eröffnet wurde, stand ganz im Zeichen des 25-jährigen Jubiläums des Bologna-Prozesses. Inhaltlich verständigten sich die in der albanischen Hauptstadt versammelten Delegationen im Abschlusskommuniqué unter anderem auf die folgenden Beschlüsse:
- Die grundlegende Bekräftigung aller Beteiligten zu den Kernelementen des Bologna-Prozesses sowie zur weiteren Vertiefung der pan-europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Hochschulpolitik;
- Die Einigung auf eine gemeinsame Definition akademischer Grundwerte welche die Grundlage für ein freies, wertebasiertes wissenschaftliches Klima sowohl an den Hochschulen als auch in sonstigen hochschulpolitischen Kontexten bilden sollen;
- Die Stärkung weiterer Aspekte der internationalen Hochschulzusammenarbeit, darunter soziale Teilhabe, Innovation und Innovationsfähigkeit sowie der verantwortungsbewusste Umgang mit Künstlicher Intelligenz;
- Die Verabschiedung eines Global Policy Forum Statement zur Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Hochschulraum und Partnerländern und -organisationen in anderen Weltregionen.
Von der Bildungsreform zur europäischen Wertegemeinschaft
Insbesondere der Fokus auf das Thema „akademische Grundwerte“ markiert für den Europäischen Hochschulraum einen weiteren, im Kontext des oben beschriebenen Jubiläums besonders bedeutsamen Schritt hin zu einer gemeinsamen und gleichzeitig vielfältigen Wertegemeinschaft. So wurde die bereits 2020 bei der Ministerkonferenz in Rom verabschiedete Stellungnahme zur „Wissenschaftsfreiheit“ (academic freedom) durch die Ministerinnen und Minister bestätigt und im Annex I: EHEA Statements on Fundamental Values um weitere fünf Grundwerte ergänzt:
- Wissenschaftliche Integrität (academic integrity);
- Institutionelle Autonomie (institutional autonomy);
- Beteiligung von Lehrenden und Studierenden an der Leitung von Hochschuleinrichtungen (student and staff participation in Higher Education governance);
- Gesellschaftliche Verantwortung für die Hochschulbildung (public responsibility for Higher Education); sowie
- Gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulbildung (public responsibility of Higher Education)
Solidarität mit der Ukraine und weitere Suspendierung von Russland und Belarus
Neben den inhaltlichen Debatten verständigten sich die europäischen Bildungsministerinnen und -minister in Tirana auch darauf, die Suspendierung von Belarus und Russland im Europäischen Hochschulraum zu verlängern. Diese wurde als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die aktive Beteiligung von Belarus im April 2022 beschlossen. Die aktuell 47 aktiven Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, sowie die Europäische Kommission verbanden dies mit einer erneuten Solidaritätsbekundung an die Ukraine. Diese ist seit 2005 ebenfalls Teil des EHR und bildet einen integralen Bestandteil der europäischen Hochschulgemeinschaft.
Die nächste EHR-Ministerkonferenz wird voraussichtlich im Jahr 2027 gemeinsam von Rumänien und der Republik Moldau ausgerichtet.
Hintergrund
Mit dem Ziel, die jüngsten Entwicklungen des Europäischen Hochschulraums (EHR) zu bilanzieren und Leitlinien der gemeinsam Hochschulpolitik der kommenden Jahre zu setzen, kommen die europäischen Bildungsministerinnen und -minister in regelmäßigen Abständen zur Ministerkonferenz des Bologna-Raums zusammen. Eine wichtige Grundlage für die Bestandsaufnahme bilden dabei der Bologna Process Implementation Report und auch der nationale Bologna-Bericht von KMK und Bundesregierung.
Das diesjährige Gipfeltreffen in Tirana hatte vor dem Hintergrund des 25. Jahrestages des Bologna-Prozesses eine ganz besondere Bedeutung. Am 19. Juni 1999 waren Vertreterinnen und Vertreter aus 29 europäischen Staaten in der traditionsreichen italienischen Universitätsstadt zusammengekommen und hatten die richtungsweisende Bologna-Erklärung unterzeichnet. Sie legte den Grundstein für den heutigen Europäischen Hochschulraum (EHR).
Den drei ursprünglich formulierten Kernelementen der Bologna-Reform – der einheitlichen, dreistufigen Studienstruktur; der gegenseitigen Anerkennung von Studienleistungen; sowie des Aufbaus von Strukturen zur Qualitätssicherung – wurde im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Themen hinzugefügt. Dazu zählen unter anderem die Formulierung gemeinsamer Mobilitätsziele, die Querschnittsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung, sowie die Förderung gemeinsamer akademischer Grundwerte.
Der DAAD ist in verschiedenen Formaten in die Arbeit des Europäischen Hochschulraumes eingebunden. So vertritt er Deutschland, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), in verschiedenen Gremien der sogenannten „Bologna Follow-Up Group“ (BFUG) und hatte hier zuletzt den Ko-Vorsitz in der Arbeitsgruppe zu akademischen Grundwerten inne, in der unter anderem die nun verabschiedeten Stellungnahmen zu den einzelnen Grundwerten erarbeitet wurden.