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Erasmus als Internationalisierungsmotor der Hochschulen

Vor die Frage gestellt, welchen Einfluss das ERASMUS-Programm auf die Internationalisierung der Hochschulen hatte, wird die spontane Antwort der meisten einschlägigen Stakeholder aus Hochschule und Politik vermutlich lauten, dass ERASMUS einer, wenn nicht sogar der wichtigste Internationalisierungsmotor in den vergangenen drei Jahrzehnten gewesen ist. Eine wissenschaftliche exakte Bestimmung des Beitrags von ERASMUS zur Internationalisierung der Hochschulen wird allerdings durch andere, zeitgleich zu beobachtende Entwicklungen erschwert bzw. unmöglich gemacht.

Friedhelm Maiworm ist seit 1996 Mitinhaber der Gesellschaft für Empirische Studien (GES) in Kassel.

So hat beispielsweise der DAAD seit Mitte der 1990er Jahre die deutschen Hochschulen durch eine Vielzahl neuer Förderprogramme dabei unterstützt, ihre internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und auf die fortschreitende Globalisierung und den sich weltweit entwickelnden Markt für Hochschulbildung angemessen zu reagieren. Trotz dieser Einschränkung lohnt der Versuch, dem Einfluss von ERASMUS nachzugehen.

Um die besondere Bedeutung von ERASMUS für die Internationalisierung der Hochschulen zu verstehen, ist es hilfreich, einen Blick auf die Situation zum Zeitpunkt der Programmeinführung zu werfen.

Das Gesamtfeld der internationalen Aktivitäten deutscher Hochschulen war Mitte der 1980er Jahre im Wesentlichen bestimmt durch das (klassische) Ausländerstudium und das zumeist individuelle Auslandsstudium einer kleinen Zahl von deutschen Studierenden. Andere Bereiche – wie Dozentenmobilität, Internationalisierung der Curricula, Forschungskooperation etc. – spielten dagegen noch keine große Rolle. Akademische Auslandsämter oder International Offices gab es fast nur an Universitäten. Noch 1990 verfügte lediglich jede vierte Fachhochschule über eine entsprechende Einrichtung zur Unterstützung ihrer internationalen Aktivitäten.

Rückblickend lassen sich sowohl organisatorische Merkmale des Programms als auch das Spektrum der geförderten Aktivitäten als Treiber für die Internationalisierung der deutschen Hochschulen identifizieren.

In den ersten beiden Programmphasen, d.h. in den Jahren von 1987 bis 1995, lag die Zuständigkeit für die Organisation der studentischen Mobilität und der weiteren förderbaren Aktivitäten (Dozentenmobilität, Curriculum-Entwicklung, Intensivprogramme und Studienbesuche) in den Fakultäten und Fachbereichen, die in Netzwerken, sogenannten Hochschulkooperationsprogrammen, eine Förderung aus dem ERASMUS-Programm beantragen konnten. Diese Konstruktion führte dazu, dass vielfach Professoren und Mitglieder des Lehrkörpers tragende Rollen beim Aufbau und der Pflege der internationalen Partnerschaften übernahmen. Das Konzept des mutual trust and confidence, das vor allem bei der wechselseitigen Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen wichtig war, konnte damit in den Fakultäten verankert werden.

Die große Beteiligung der Fakultäten am Programm hat in den Anfangsjahren einerseits ganz wesentlich zum Erfolg von ERASMUS beigetragen, führte aber gleichzeitig zu einem kaum noch zu bewältigenden Verwaltungsaufwand für die Nationalen Agenturen und die Europäische Kommission. Dies hatte zur Folge, dass mit der Einführung des SOKRATES-Programms 1996/97 die Zuständigkeit für die ERASMUS-geförderten Aktivitäten von den Fakultäten an die zentrale Hochschulebene übertragen wurde (ein Vertrag pro Hochschule). In einem European Policy Statement (EPS), das Bestandteil des Antrags auf Fördermittel war, mussten die Hochschulen ihre europabezogenen Zielsetzungen und alle darauf bezogenen Aktivitäten darstellen und den Stellenwert der Förderung durch ERASMUS einordnen.

Die Formulierung des EPS war für viele Hochschulen ein wichtiger Beitrag zur Reflexion und Ausrichtung der eigenen internationalen Aktivitäten und hat bei den deutschen Hochschulen erstmalig eine größere Strategiedebatte zu einer europäischen Hochschulentwicklung ausgelöst. Der Hochschulvertrag (inkl. EPS) und die Konzentration der ERASMUS-Aktivitäten auf der zentralen Ebene war einer der wichtigsten Impuls zu einer stärkeren strategischen Ausrichtung der Hochschulen, einer Professionalisierung der Strukturen und einer besseren finanziellen Ausstattung mit Bezug auf die Internationalisierungsaktivitäten. Allerdings gab es bei der Einführung des Hochschulvertrages auch die Sorge, dass die „enteigneten“ Fakultäten in ihrem Engagement nachlassen würden und die Sicherung der Qualität des Studiums in einem anderen Land leiden würde. Um entsprechende Entwicklungen zu verhindern, sind in den Folgejahren diverse Instrumente entwickelt worden, die sowohl den Studienerfolg als auch die Anerkennung der im Ausland erbrachten Leistungen absichern sollen, z.B. das Learning Agreement und ECTS.

Eine 2008 veröffentlichte Studie belegt noch einmal, dass die Wirkung von ERASMUS nicht auf die drei zentralen Funktionsbereiche der Hochschulen (Lehre, Forschung und Dienstleistungen) beschränkt ist, sondern auch das Hochschulmanagement und die Hochschulentwicklung im weiteren Sinne beeinflusst hat. Deutliche Spuren hat ERASMUS aber vor allem im Bereich der Dienstleistungen für mobile Studierende und Lehrkräfte hinterlassen.

Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2014 bestätigt, dass mit Blick auf die verschiedenen Förderstränge von ERASMUS die studentische Mobilität die größte Bedeutung für die Internationalisierung der Hochschulen und die Entwicklung eines internationalen Profils hat. Allerdings gehen auch von der Dozentenmobilität wichtige Impulse aus, um die Internationalisierungsziele zu erreichen.

Den vollständigen Artikel von Friedhelm Maiworm über ERASMUS als Internationalisierungsmotor der Hochschulen finden Sie in der Jubiläumsbroschüre, die ab Ende Februar 2017 erhältlich ist.

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